Month: September 2017

Parken auf schmalen Straßen im Saarland

Parken auf schmalen Straßen im Saarland

Parken auf schmalen Straßen: StVO-Norm unwirksam

Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg hat entschieden, dass § 12 Abs. 3 Nr. 3 der StVO teilweise unwirksam ist. Die Vorschrift verbietet auf schmalen Fahrbahnen auch das Parken gegenüber von Grundstücksein- und -ausfahrten. Es sei unklar, was der Gesetzgeber mit einer „schmalen Fahrbahn“ meine. Die Norm sei daher zu unbestimmt und deshalb unwirksam, entschied das Gericht.

Darum geht es

Der Kläger ist Eigentümer eines mit einem Wohnhaus und einer Garage bebauten Grundstücks in einem Karlsruher Wohngebiet. Das Grundstück grenzt an eine Gemeindestraße mit einer 5,50 m breiten Fahrbahn und einem 1,15 m breiten Gehweg. Die Garage ist vor dem Wohnhaus und etwas tiefer als dieses errichtet, so dass ihre Ausfahrt zur Straße leicht ansteigt.

Parken auf der Straßenseite gegenüber andere Autos, kann der Kläger sein Auto nur unter mehrmaligem Rangieren auf die Straße bzw. von der Straße in seine Garage fahren. Im September 2012 beantragte der Kläger bei der Stadt Karlsruhe (Beklagte), auf der Fahrbahn gegenüber seiner Grundstücksausfahrt das Parken durch Verkehrszeichen zu verbieten.

Das Parken sei dort bereits nach § 12 Abs. 3 Nr. 3 StVO unzulässig, weil die Fahrbahn im Sinne dieser Vorschrift „schmal“  sei. Seit einiger Zeit würden gegenüber seinem Grundstück Autos eng hintereinander und nicht mehr wie bisher auf dem Gehweg geparkt. Dadurch betrage der Abstand zu seiner Garagenausfahrt nur noch 3,40 m. Eine geradlinige Ausfahrt sei mit seinem 4,92 m langen Auto völlig unmöglich. Er könne jetzt fast nur noch unter Mithilfe einer weiteren Person mit mehrmaligem Rangieren risikolos auf die Straße fahren.

Die Beklagte lehnte den Antrag nach einem Fahrversuch mit dem Kläger ab. Es sei zwar grundsätzlich möglich, das gesetzliche Parkverbot nach § 12 Abs. 3 Nr. 3 StVO im Einzelfall durch Anordnung von Verkehrszeichen, etwa einer Grenzmarkierung (Zeichen 299 StVO) oder eines Haltverbots (Zeichen 286 StVO), zu konkretisieren.

Die Fahrbahn der betreffenden Straße sei beim Grundstück des Klägers jedoch nicht im Sinne des gesetzlichen Parkverbots „schmal“, weil die Ausfahrt von diesem Grundstück im Falle eines gegenüber parkenden Autos in vorsichtiger Fahrweise und bei frühzeitigem Einlenken mit maximal zweimaligem Vor- und Zurücksetzen möglich sei. Bei einer solchen Sachlage sei eine Fahrbahn nicht „schmal“, wie verschiedene Gerichte entschieden hätten.

Gegen diese Entscheidung erhob der Kläger nach erfolglosem Widerspruch beim Verwaltungsgericht Karlsruhe Klage. Das Verwaltungsgericht nahm einen Augenschein ein, bei dem der Kläger demonstrierte, dass er mit seinem Auto erst nach dreimaligem Rangieren auf die Straße fahren könne. Das Verwaltungsgericht wies die Klage anschließend u.a. mit der Begründung ab, angesichts des heutigen Straßenverkehrs und des herrschenden Parkdrucks sei je nach den örtlichen Verkehrsverhältnissen auch ein dreimaliges Rangieren mit einem Auto heute üblicher Größe noch verkehrsadäquat.

Wesentliche Entscheidungsgründe

Der Verwaltungsgerichtshof hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Zur Begründung hat der Vorsitzende bei der mündlichen Urteilsverkündung im Wesentlichen ausgeführt: Der Kläger habe keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte über seinen Antrag auf Erlass einer verkehrsrechtlichen Anordnung erneut entscheide.

Ein solcher Anspruch folge entgegen der Ansicht des Klägers nicht schon daraus, dass auf der seiner Garagenausfahrt gegenüberliegenden Straßenseite ein gesetzliches Parkverbot nach § 12 Abs. 3 Nr. 3 StVO bestehe, das dem Schutz seines Anliegergrundstücks diene und regelmäßig missachtet werde. Denn das betreffende Parkverbot nach § 12 Abs. 3 Nr. 3 StVO sei mangels Bestimmtheit unwirksam. Der Begriff „schmal“  genüge nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Bestimmtheit von Normen.

Es sei nicht möglich, den Begriff anhand anerkannter Auslegungsregeln zu konkretisieren. Verschiedene Oberlandes- und Oberverwaltungsgerichte hätten zwar als Maßstab eine maximal zulässige Zahl an Rangiervorgängen entwickelt, die für eine Ein- oder Ausfahrt im Einzelfall zumutbar seien. Die in der Rechtsprechung als zumutbar angesehene Anzahl der Rangiervorgänge variiere aber erheblich.

Ungeachtet dessen sei dieses einzelfallbezogene Kriterium zur Konkretisierung des Begriffs „schmal“ ohnehin untauglich. Denn der Adressat des bußgeldbewehrten Verbots, der Fahrer eines auf der gegenüberliegenden Seite einer Grundstücksein- und -ausfahrt geparkten Autos, könne selbst nicht hinreichend sicher ermitteln oder verlässlich einschätzen, wie viele Rangiervorgänge im jeweiligen Einzelfall nötig seien.

Der Kläger könne zwar auch unabhängig von der Gültigkeit des gesetzlichen Parkverbots nach § 12 Abs. 3 Nr. 3 StVO ein Einschreiten der Straßenverkehrsbehörde aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung des Verkehrs verlangen, wenn er bei einem Parken von Autos auf der gegenüberliegenden Straßenseite daran gehindert oder in erheblichem Maße behindert würde, diese Garage zu benutzen. Diese Voraussetzungen seien hier aber bei Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles nicht erfüllt.

Ein zu Lasten des Klägers gehender Gesichtspunkt sei insbesondere, dass er eine befestigte private Verkehrsfläche (Gehweg und Autostellplatz) neben der Garagenausfahrt auf seinem Grundstück höher als diese angelegt und mit Steinen begrenzt habe. Denn infolgedessen könne diese Fläche beim Herausfahren auf die Straße nicht mitbenutzt werden. Die dadurch bedingte höhere Anzahl von Rangiervorgängen habe der Kläger selbst zu vertreten und daher hinzunehmen. Denn es sei ihm zumutbar, die Garagenausfahrt insoweit zu verbreitern.

Die Revision zum Bundesverwaltungsgericht wurde zugelassen, da die Frage der Wirksamkeit des § 12 Abs. 3 Nr. 3 StVO grundsätzliche Bedeutung hat. Diese kann vom Kläger binnen einen Monats nach Zustellung des schriftlichen Urteils eingelegt werden

VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 08.03.2017 – 5 S 1044/15

Quelle: VGH Baden-Württemberg, Pressemitteilung v. 08.03.2017

Immer wieder ein brisantes Thema – Wie verfasse ich meinen Willen?

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Immer wieder ein brisantes Thema. Wie verfasse ich meinen Willen, dass der auch dann umgesetzt wird, wenn ich es nicht mehr kann!

Vorsorgevollmacht & Patientenverfügung: BGH klärt Anforderungen

Welche Anforderungen müssen eine Vorsorgevollmacht und eine Patientenverfügung im Zusammenhang mit dem Abbruch von lebenserhaltenden Maßnahmen erfüllen? Der BGH hat entschieden, dass eine schriftliche Patientenverfügung, die den Bestimmtheitsanforderungen genügt, konkrete Entscheidungen des Betroffenen über bestimmte, noch nicht unmittelbar bevorstehende ärztliche Maßnahmen enthalten muss.

Wie verfasse ich meinen Willen – Darum geht es

Die 1941 geborene Betroffene erlitt Ende 2011 einen Hirnschlag. Noch im Krankenhaus wurde ihr eine Magensonde gelegt, über die sie seitdem ernährt wird und Medikamente verabreicht bekommt. Im Januar 2012 wurde sie in ein Pflegeheim aufgenommen. Die zu diesem Zeitpunkt noch vorhandene Fähigkeit zur verbalen Kommunikation verlor sie infolge einer Phase epileptischer Anfälle im Frühjahr 2013. Die Betroffene hatte 2003 und 2011 zwei wortlautidentische, mit „Patientenverfügung“ betitelte Schriftstücke unterschrieben.
In diesen war niedergelegt, dass unter anderem dann, wenn aufgrund von Krankheit oder Unfall ein schwerer Dauerschaden des Gehirns zurückbleibe, „lebensverlängernde Maßnahmen unterbleiben“ sollten. An die „Patientenverfügung“ angehängt war die einer ihrer drei Töchter erteilte Vorsorgevollmacht, dann an ihrer Stelle mit der behandelnden Ärztin alle erforderlichen Entscheidungen abzusprechen, ihren Willen im Sinne dieser Patientenverfügung einzubringen und in ihrem Namen Einwendungen vorzutragen, die die Ärztin berücksichtigen solle.

Außerdem hatte die Betroffene 2003 in einer notariellen Vollmacht dieser Tochter Generalvollmacht erteilt. Diese berechtigte zur Vertretung auch in Fragen der medizinischen Versorgung und Behandlung. Die Bevollmächtigte könne „in eine Untersuchung des Gesundheitszustandes, in eine Heilbehandlung oder in die Durchführung eines ärztlichen Eingriffs einwilligen, die Einwilligung hierzu verweigern oder zurücknehmen.“ Die Vollmacht enthielt zudem die Befugnis, über den Abbruch lebensverlängernder Maßnahmen zu entscheiden mit dem Zusatz, dass die Betroffene im Falle einer zum Tode führenden Erkrankung keinen Wert auf solche Maßnahmen lege, wenn feststehe, dass eine Besserung des Zustands nicht erwartet werden könne.

Die Bevollmächtigte und die die Betroffene behandelnde Hausärztin sind übereinstimmend der Auffassung, dass der Abbruch der künstlichen Ernährung gegenwärtig nicht dem Willen der Betroffenen entspricht. Demgegenüber vertreten die beiden anderen Töchter der Betroffenen die gegenteilige Meinung und haben deshalb beim Betreuungsgericht angeregt, einen sog. Kontrollbetreuer nach § 1896 Abs. 3 BGB zu bestellen, der die ihrer Schwester erteilten Vollmachten widerruft. Während das Amtsgericht dies abgelehnt hat, hat das Landgericht den amtsgerichtlichen Beschluss aufgehoben und eine der beiden auf Abbruch der künstlichen Ernährung drängenden Töchter zur Betreuerin der Betroffenen mit dem Aufgabenkreis „Widerruf der von der Betroffenen erteilten Vollmachten, allerdings nur für den Bereich der Gesundheitsfürsorge“, bestellt.

Wesentliche Entscheidungsgründe

Die Rechtsbeschwerde der bevollmächtigten Tochter war erfolgreich. Sie führt zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht. Ein Bevollmächtigter kann nach § 1904 BGB die Einwilligung, Nichteinwilligung und den Widerruf der Einwilligung des einwilligungsunfähigen Betroffenen rechtswirksam ersetzen, wenn ihm die Vollmacht schriftlich erteilt ist und der Vollmachttext hinreichend klar umschreibt, dass sich die Entscheidungskompetenz des Bevollmächtigten auf die im Gesetz genannten ärztlichen Maßnahmen sowie darauf bezieht, diese zu unterlassen oder am Betroffenen vornehmen zu lassen.

Hierzu muss aus der Vollmacht auch deutlich werden, dass die jeweilige Entscheidung mit der begründeten Gefahr des Todes oder eines schweren und länger dauernden gesundheitlichen Schadens verbunden sein kann. Ob die beiden von der Betroffenen erteilten privatschriftlichen Vollmachten diesen inhaltlichen Erfordernissen gerecht werden, unterliegt Bedenken, weil sie nach ihrem Wortlaut lediglich die Ermächtigung zur Mitsprache in den in der Patientenverfügung genannten Fallgestaltungen, nicht aber zur Bestimmung der Vorgehensweise enthalten. Jedenfalls die notarielle Vollmacht genügt aber den gesetzlichen Anforderungen.

Eine schriftliche Patientenverfügung im Sinne des § 1901 a Abs. 1 BGB entfaltet unmittelbare Bindungswirkung nur dann, wenn ihr konkrete Entscheidungen des Betroffenen über die Einwilligung oder Nichteinwilligung in bestimmte, noch nicht unmittelbar bevorstehende ärztliche Maßnahmen entnommen werden können. Von vornherein nicht ausreichend sind allgemeine Anweisungen, wie die Aufforderung, ein würdevolles Sterben zu ermöglichen oder zuzulassen, wenn ein Therapieerfolg nicht mehr zu erwarten ist.

Die Anforderungen an die Bestimmtheit einer Patientenverfügung dürfen aber auch nicht überspannt werden. Vorausgesetzt werden kann nur, dass der Betroffene umschreibend festlegt, was er in einer bestimmten Lebens- und Behandlungssituation will und was nicht. Die Äußerung, „keine lebenserhaltenden Maßnahmen“ zu wünschen, enthält jedenfalls für sich genommen keine hinreichend konkrete Behandlungsentscheidung. Die insoweit erforderliche Konkretisierung kann aber gegebenenfalls durch die Benennung bestimmter ärztlicher Maßnahmen oder die Bezugnahme auf ausreichend spezifizierte Krankheiten oder Behandlungssituationen erfolgen.

Danach kommen sowohl die beiden privatschriftlichen Schriftstücke als auch die in der notariellen Vollmacht enthaltenen Äußerungen nicht als bindende, auf den Abbruch der künstlichen Ernährung gerichtete Patientenverfügungen in Betracht. Sie beziehen sich nicht auf konkrete Behandlungsmaßnahmen, sondern benennen ganz allgemein „lebensverlängernde Maßnahmen“. Auch im Zusammenspiel mit den weiteren enthaltenen Angaben ergibt sich nicht die für eine Patientenverfügung zu verlangende bestimmte Behandlungsentscheidung.

Auf der Grundlage der vom Landgericht getroffenen Feststellungen ergibt sich auch kein auf den Abbruch der künstlichen Ernährung gerichteter Behandlungswunsch oder mutmaßlicher Wille der Betroffenen. Daher kann derzeit nicht angenommen werden, dass die Bevollmächtigte sich offenkundig über den Willen ihrer Mutter hinwegsetzt, was für die Anordnung einer Kontrollbetreuung in diesem Zusammenhang erforderlich wäre. Das Landgericht wird nach Zurückverweisung allerdings zu prüfen haben, ob mündliche Äußerungen der Betroffenen vorliegen, die einen Behandlungswunsch darstellen oder die Annahme eines auf Abbruch der künstlichen Ernährung gerichteten mutmaßlichen Willens der Betroffenen rechtfertigen.

BGH, Beschl. vom 06.07.2016 – XII ZB 61/16
Quelle: BGH, Pressemitteilung vom 09.08.2016