Verkehrsrecht

Anspruchsausschluss bei der Kaskoversicherung

Anspruchsausschluss bei der Kaskoversicherung

Ein Anspruch auf Schadensregulierung gegenüber der eigenen Kaskoversicherung kann bei zu später Schadensmeldung zum Anspruchsausschluss führen, so entschied das OLG Hamm, Beschluss vom 21.06.2017 – 20 U 42/17.

Der Kläger begehrte von der Beklagten, seiner Versicherung, die Entschädigung seines Fahrzeugschadens. Unberücksichtigt blieb dabei der Umstand, ob sich das Schadensereignis überhaupt zugetragen hatte oder nicht.

Die Versicherung berief sich auf eine vertragliche Obliegenheitsverletzung des Versicherungsnehmers, mit der Maßgabe von der Leistungsverpflichtung frei geworden zu sein, da nicht umgehend eine Mitteilung gegenüber der Versicherung erfolgte, sondern erst nach sechs Monaten.

Der Versicherungsnehmer hatte selbst angegeben, auf eine Meldung gegenüber der eigenen Kaskoversicherung verzichtet zu haben, da er vorab versuchen wollte, den eigentlichen Schädiger in Anspruch zu nehmen.

Im Ergebnis zahlte die eigene Kaskoversicherung keinen Cent, weil die erforderliche Mitteilung ihr gegenüber viel zu spät erfolgte. Der Versicherungsnehmer habe das Fahrzeug auch reparieren lassen, die Bestätigung, die der Gutachter hierzu ausstellte, ließ allerdings nicht erkennen, dass auch fachgerecht repariert worden war.

Mit dieser Vorgehensweise hat der Versicherungsnehmer der Versicherung deswegen die Möglichkeit genommen, den Schadensfall selbst zu untersuchen und durch einen eigenen Gutachter überprüfen zu lassen.

Fazit: Vorsicht, wenn Sie über eine Kaskoversicherung verfügen, einen Schaden haben und zumindest über das schädigende Ereignis Ihre eigene Kaskoversicherung nicht rechtzeitig informiert haben. Maßgeblich ist alleine, das Anzeigen eines Schadensereignisses. Dies ist nicht damit zu verwechseln, dass eine Inanspruchnahme der eigenen Versicherung erfolgen soll.

Autounfall – Was nun?

Autounfall – Was nun?

Bei einem Autounfall die Ruhe bewahren und dann das richtige tun ist oftmals schwer.

Oftmals weiß man nicht, ist man schuld, ist man nicht schuld, wird es kompliziert, wenn der Unfall im Ausland ist, welche Rechte und welche Pflichte habe ich. Umso wichtiger ist es, dann einen Spezialisten, einen Fachanwalt für Verkehrsrecht, zu kontaktieren. Wir sind gern für Sie da.

Welche Ansprüche stehen im Raum

Bereits ein Erstgespräch lässt erkennen, welche Ansprüche gegebenenfalls im Raume stehen. Haben Sie einen unverschuldeten Autounfall, seien Sie vorsichtig, wenn die gegnerische Versicherung Sie kontaktiert und Ihnen erklärt, sich um alles kümmern zu wollen. Lassen Sie sich von einer unabhängigen Person, einem Rechtsanwalt, über Ihre Ansprüche, Ihre Rechte, aufklären. Nur so können Sie Gewissheit haben, dass Ihr Schaden, den Sie durch den unverschuldeten Autounfall erlitten haben, auch tatsächlich voll umfänglich reguliert wird.

Im Falle eines unverschuldeten Verkehrsunfalles werden auch die Kosten der anwaltlichen Vertretung von der gegnerischen Versicherung getragen.

Seien Sie auch bedacht, welche Angaben Sie gegenüber der zum Unfallorte gerufenen Polizei machen. Ihre Personalien und persönlichen Daten reichen völlig aus. Alles Weitere kann durch Ihren Anwalt erledigt werden.

Immer diese Punkte, kein Handy am Steuer mehr

Immer diese Punkte, kein Handy am Steuer mehr

Handy am Steuer: Verbot auch beim Kontrollieren und fehlender SIM-Karte

Wer während der Fahrt mit einem Pkw sein Mobiltelefon in den Händen hält und mittels des Home-Buttons kontrolliert, ob das Telefon tatsächlich ausgeschaltet ist, benutzt das Telefon im Sinne der Straßenverkehrsordnung und begeht eine Ordnungswidrigkeit. Und auch bei einer fehlenden SIM-Karte ist jede Nutzung des Handys verboten. Das hat das OLG Hamm in zwei Verfahren entschieden.

Verfahren 1 RBs 170/16

Das bloße Kontrollieren, dass ein Mobiltelefon ausgeschaltet ist, kann schon eine bußgeldbewährte Ordnungswidrigkeit gemäß § 23 Abs. 1a StVO darstellen.

Darum geht es

Der heute 40 Jahre alte Betroffene aus Hamm befuhr im März 2016 mit seinem BMW die Richard-Wagner-Straße in Hamm. Dabei hielt er – so die Feststellungen des Amtsgerichts – während der Fahrt sein Mobiltelefon in der Hand und betätigte den Home-Button, was einem den Verkehr beobachtenden Polizeibeamten auffiel. In der Hauptverhandlung ließ sich der Betroffene dahingehend ein, er habe durch die Betätigung des Home-Buttons lediglich kontrollieren wollen, ob sein Gerät ein- oder ausgeschaltet gewesen sei. Es sei ausgeschaltet gewesen.

Das Amtsgericht bewertete den Sachverhalt als verbotswidrige Benutzung eines Mobiltelefons durch den Betroffenen als Kraftfahrer und verhängte gegen ihn ein Bußgeld in Höhe von 100 €.

Auf die von dem Betroffenen gegen die Verurteilung erhobene Rechtsbeschwerde hat der Erste Senat für Bußgeldsachen des OLG Hamm die amtsgerichtliche Verurteilung mit der Maßgabe bestätigt, dass der Betroffene vorsätzlich gegen die einschlägige Verbotsvorschrift des § 23 Abs. 1a Straßenverkehrsordnung verstoßen habe.

Wesentliche Entscheidungsgründe

Der Betroffene ist zu Recht verurteilt worden. Dies gilt nach dem OLG Hamm auch unter Berücksichtigung der Möglichkeit, dass das Mobiltelefon des Betroffenen tatsächlich ausgeschaltet gewesen ist und er durch Antippen des Home-Buttons dies lediglich habe kontrollieren wollen. Es sei obergerichtlich geklärt, dass sowohl das Einschalten als auch das Ausschalten eines Mobiltelefons eine im Straßenverkehr unerlaubte Benutzung im Sinne der genannten Verbotsvorschrift sei.

Auch bei einer Kontrolle des „Ausgeschaltetseins“ handele es sich um eine in diesem Sinne verbotswidrige Benutzung. Der Home-Button des Mobiltelefons diene im eingeschalteten Zustand unter anderem dazu, das mit einem verdunkelten Bildschirm im Ruhestand befindliche Telefon „aufzuwecken“ und die Bildschirmanzeige zu aktivieren. Gleichzeitig ermögliche der Button dadurch eine Kontrolle, ob das Handy ein- oder ausgeschaltet sei. Das Gerät werde durch eine Betätigung des Buttons auch im ausgeschalteten Zustand bestimmungsgemäß genutzt.

In diesem Zustand liefere ein weiterhin verdunkelter Bildschirm die zuverlässige Information, dass das Gerät tatsächlich ausgeschaltet sei. Es handele sich letztendlich um eine Art „Negativfunktion“ des ausgeschalteten Geräts, deren Abruf ebenfalls als Benutzung des Mobiltelefons bzw. seiner Funktionen anzusehen sei. Der Betroffene sei deswegen vom Amtsgericht zu Recht verurteilt worden. Aus Gründen der Klarstellung habe der Senat die Schuldform dahingehend berichtigt, dass der Betroffene vorsätzlich gehandelt habe.

OLG Hamm, Beschl. v. 29.12.2016 – 1 RBs 170/16 und Beschl. v. 08.06.2017 – 4 RBs 214/17

Quelle: OLG Hamm, Pressemitteilungen v. 20.06.2017

Parken auf schmalen Straßen im Saarland

Parken auf schmalen Straßen im Saarland

Parken auf schmalen Straßen: StVO-Norm unwirksam

Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg hat entschieden, dass § 12 Abs. 3 Nr. 3 der StVO teilweise unwirksam ist. Die Vorschrift verbietet auf schmalen Fahrbahnen auch das Parken gegenüber von Grundstücksein- und -ausfahrten. Es sei unklar, was der Gesetzgeber mit einer „schmalen Fahrbahn“ meine. Die Norm sei daher zu unbestimmt und deshalb unwirksam, entschied das Gericht.

Darum geht es

Der Kläger ist Eigentümer eines mit einem Wohnhaus und einer Garage bebauten Grundstücks in einem Karlsruher Wohngebiet. Das Grundstück grenzt an eine Gemeindestraße mit einer 5,50 m breiten Fahrbahn und einem 1,15 m breiten Gehweg. Die Garage ist vor dem Wohnhaus und etwas tiefer als dieses errichtet, so dass ihre Ausfahrt zur Straße leicht ansteigt.

Parken auf der Straßenseite gegenüber andere Autos, kann der Kläger sein Auto nur unter mehrmaligem Rangieren auf die Straße bzw. von der Straße in seine Garage fahren. Im September 2012 beantragte der Kläger bei der Stadt Karlsruhe (Beklagte), auf der Fahrbahn gegenüber seiner Grundstücksausfahrt das Parken durch Verkehrszeichen zu verbieten.

Das Parken sei dort bereits nach § 12 Abs. 3 Nr. 3 StVO unzulässig, weil die Fahrbahn im Sinne dieser Vorschrift „schmal“  sei. Seit einiger Zeit würden gegenüber seinem Grundstück Autos eng hintereinander und nicht mehr wie bisher auf dem Gehweg geparkt. Dadurch betrage der Abstand zu seiner Garagenausfahrt nur noch 3,40 m. Eine geradlinige Ausfahrt sei mit seinem 4,92 m langen Auto völlig unmöglich. Er könne jetzt fast nur noch unter Mithilfe einer weiteren Person mit mehrmaligem Rangieren risikolos auf die Straße fahren.

Die Beklagte lehnte den Antrag nach einem Fahrversuch mit dem Kläger ab. Es sei zwar grundsätzlich möglich, das gesetzliche Parkverbot nach § 12 Abs. 3 Nr. 3 StVO im Einzelfall durch Anordnung von Verkehrszeichen, etwa einer Grenzmarkierung (Zeichen 299 StVO) oder eines Haltverbots (Zeichen 286 StVO), zu konkretisieren.

Die Fahrbahn der betreffenden Straße sei beim Grundstück des Klägers jedoch nicht im Sinne des gesetzlichen Parkverbots „schmal“, weil die Ausfahrt von diesem Grundstück im Falle eines gegenüber parkenden Autos in vorsichtiger Fahrweise und bei frühzeitigem Einlenken mit maximal zweimaligem Vor- und Zurücksetzen möglich sei. Bei einer solchen Sachlage sei eine Fahrbahn nicht „schmal“, wie verschiedene Gerichte entschieden hätten.

Gegen diese Entscheidung erhob der Kläger nach erfolglosem Widerspruch beim Verwaltungsgericht Karlsruhe Klage. Das Verwaltungsgericht nahm einen Augenschein ein, bei dem der Kläger demonstrierte, dass er mit seinem Auto erst nach dreimaligem Rangieren auf die Straße fahren könne. Das Verwaltungsgericht wies die Klage anschließend u.a. mit der Begründung ab, angesichts des heutigen Straßenverkehrs und des herrschenden Parkdrucks sei je nach den örtlichen Verkehrsverhältnissen auch ein dreimaliges Rangieren mit einem Auto heute üblicher Größe noch verkehrsadäquat.

Wesentliche Entscheidungsgründe

Der Verwaltungsgerichtshof hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Zur Begründung hat der Vorsitzende bei der mündlichen Urteilsverkündung im Wesentlichen ausgeführt: Der Kläger habe keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte über seinen Antrag auf Erlass einer verkehrsrechtlichen Anordnung erneut entscheide.

Ein solcher Anspruch folge entgegen der Ansicht des Klägers nicht schon daraus, dass auf der seiner Garagenausfahrt gegenüberliegenden Straßenseite ein gesetzliches Parkverbot nach § 12 Abs. 3 Nr. 3 StVO bestehe, das dem Schutz seines Anliegergrundstücks diene und regelmäßig missachtet werde. Denn das betreffende Parkverbot nach § 12 Abs. 3 Nr. 3 StVO sei mangels Bestimmtheit unwirksam. Der Begriff „schmal“  genüge nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Bestimmtheit von Normen.

Es sei nicht möglich, den Begriff anhand anerkannter Auslegungsregeln zu konkretisieren. Verschiedene Oberlandes- und Oberverwaltungsgerichte hätten zwar als Maßstab eine maximal zulässige Zahl an Rangiervorgängen entwickelt, die für eine Ein- oder Ausfahrt im Einzelfall zumutbar seien. Die in der Rechtsprechung als zumutbar angesehene Anzahl der Rangiervorgänge variiere aber erheblich.

Ungeachtet dessen sei dieses einzelfallbezogene Kriterium zur Konkretisierung des Begriffs „schmal“ ohnehin untauglich. Denn der Adressat des bußgeldbewehrten Verbots, der Fahrer eines auf der gegenüberliegenden Seite einer Grundstücksein- und -ausfahrt geparkten Autos, könne selbst nicht hinreichend sicher ermitteln oder verlässlich einschätzen, wie viele Rangiervorgänge im jeweiligen Einzelfall nötig seien.

Der Kläger könne zwar auch unabhängig von der Gültigkeit des gesetzlichen Parkverbots nach § 12 Abs. 3 Nr. 3 StVO ein Einschreiten der Straßenverkehrsbehörde aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung des Verkehrs verlangen, wenn er bei einem Parken von Autos auf der gegenüberliegenden Straßenseite daran gehindert oder in erheblichem Maße behindert würde, diese Garage zu benutzen. Diese Voraussetzungen seien hier aber bei Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles nicht erfüllt.

Ein zu Lasten des Klägers gehender Gesichtspunkt sei insbesondere, dass er eine befestigte private Verkehrsfläche (Gehweg und Autostellplatz) neben der Garagenausfahrt auf seinem Grundstück höher als diese angelegt und mit Steinen begrenzt habe. Denn infolgedessen könne diese Fläche beim Herausfahren auf die Straße nicht mitbenutzt werden. Die dadurch bedingte höhere Anzahl von Rangiervorgängen habe der Kläger selbst zu vertreten und daher hinzunehmen. Denn es sei ihm zumutbar, die Garagenausfahrt insoweit zu verbreitern.

Die Revision zum Bundesverwaltungsgericht wurde zugelassen, da die Frage der Wirksamkeit des § 12 Abs. 3 Nr. 3 StVO grundsätzliche Bedeutung hat. Diese kann vom Kläger binnen einen Monats nach Zustellung des schriftlichen Urteils eingelegt werden

VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 08.03.2017 – 5 S 1044/15

Quelle: VGH Baden-Württemberg, Pressemitteilung v. 08.03.2017

MPU auch bei erneuerter ausländischer EU-Fahrerlaubnis

MPU auch bei erneuerter ausländischer EU-Fahrerlaubnis

Kann man verpflichtet werden sich einer MPU zu unterziehen wenn die ausländische EU Faherlaubnis erneuert wurde?

Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg hat entschieden, dass die Pflicht, sich nach einer Alkoholfahrt einer medizinisch-psychologischen Untersuchung (MPU) zu unterziehen, nicht durch die Erneuerung einer spanischen Fahrerlaubnis entfällt. Die bloße Erneuerung eines Führerscheins sei kein Beweis dafür, dass die Fahreignung nach Entziehung der Fahrerlaubnis wieder erlangt worden sei.

Darum geht es

Der Kläger ist Deutscher, der sich seit 1992 überwiegend in Spanien aufhält. Er erwarb 1992 in Spanien eine Fahrerlaubnis der Klassen A und B. Diese Fahrerlaubnis wurde ihm 2009 vom Amtsgericht Karlsruhe-Durlach wegen einer Trunkenheitsfahrt mit 2,12 Promille für das Bundesgebiet entzogen. Nach Ablauf der vom Amtsgericht verhängten Sperrfrist für eine Neuerteilung der Fahrerlaubnis wurde der spanische Führerschein des Klägers in Spanien mehrmals erneuert.

In Spanien sind Führerscheine – abhängig vom Lebensalter des Inhabers – zehn, fünf oder zwei Jahre gültig. Bei Ablauf der Gültigkeitsdauer wird der Führerschein dann erneuert, wenn ein vorgeschriebener Gesundheitstest bestanden worden ist. Wegen der im Recht der Europäischen Union verankerten Pflicht der Mitgliedstaaten, die von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheine „ohne jede Formalität“ anzuerkennen, vertrat der Kläger gegenüber der deutschen Fahrerlaubnisbehörde den Standpunkt, dass er infolge der Erneuerung seines spanischen Führerscheins wieder berechtigt sei, in Deutschland ein Kraftfahrzeug zu führen.

Die deutsche Fahrerlaubnisbehörde vertrat hingegen die Auffassung, dass ihm das Recht, von seiner spanischen Fahrerlaubnis im Inland Gebrauch zu machen, erst dann wieder zustehe, wenn er durch ein medizinisch-psychologisches Gutachten belegt habe, dass er inzwischen in der Lage sei, Alkoholkonsum und Autofahren hinreichend voneinander zu trennen. Das Verwaltungsgericht Karlsruhe folgte dieser Rechtsauffassung und hat die Klage abgewiesen.

Wesentliche Entscheidungsgründe

Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg hat die  eingelegte Berufung des Klägers zurückgewiesen.

Zur Begründung führt der Senat in seinem Urteil unter anderem aus, dass unionsrechtlich ein von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellter Führerschein nur dann „ohne jede Formalität“ von Deutschland anzuerkennen sei, wenn der ausstellende Mitgliedstaat unionsrechtlich verpflichtet gewesen sei, sämtliche Voraussetzungen für die Erteilung einer Fahrerlaubnis zu prüfen.

Dies sei aber nicht der Fall, wenn ein Führerschein der Klassen A und B bei Ablauf der Gültigkeit erneuert werde. Vielmehr könne jeder Mitgliedstaat selbst entscheiden, ob und ggf. in welchem Umfang er die Erneuerung eines Führerscheins von bestimmten Tests oder Kursen abhängig mache. Die bloße Erneuerung eines Führerscheins tauge daher – anders als das bei einer Neuerteilung der Fall ist – nicht als Beweis dafür, dass sein Inhaber – nach der Fahrerlaubnisentziehung – seine Fahreignung wieder erlangt habe.

Die Revision zum Bundesverwaltungsgericht wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen. Diese kann von dem Kläger binnen eines Monats nach Zustellung des Urteils eingelegt werden.

VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 27.06.2017 – 10 S 1716/15

Quelle: VGH Baden-Württemberg, Pressemitteilung v. 14.07.2017

Fiktive Reparaturkosten – Was zahlt die Kfz-Versicherung?

Fiktive Reparaturkosten – Was zahlt die Kfz-Versicherung?

Unter welchen Voraussetzungen können Kaskoversicherungen bei einer fiktiven Schadensabrechnung – also tatsächlich nicht durchgeführten Reparaturen – auf niedrigere Preise einer „freien“ Werkstatt verweisen? Der BGH hat nun die Voraussetzungen benannt, nach denen die Aufwendungen, die bei Durchführung der Reparatur in einer markengebundenen Fachwerkstatt anfallen würden, ersatzfähig sind.

Fiktive Reparaturkosten: Darum geht es

In dem Rechtsstreit begehrt der Kläger, der seinen Mercedes nach einem Unfallschaden nicht reparieren ließ, von seinem Kaskoversicherer den Ersatz der notwendigen Reparaturkosten auf Gutachtenbasis. Dabei legt er ein von ihm beauftragtes Gutachten zugrunde, in dem auf Basis der Stundenverrechnungssätze einer Mercedes-Fachwerkstatt ein Reparaturkostenaufwand von rd. 9.400 € ermittelt worden ist.

Der beklagte Versicherer regulierte dagegen auf der Basis eines von ihm eingeholten Gutachtens nur rd. 6.400 €. Diesem Gutachten liegen die Lohnkosten einer ortsansässigen, nicht markengebundenen Fachwerkstatt zugrunde. Die Differenz von knapp 3.000 € ist Gegenstand der Klage.

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In Ziffer A.2.7.1 der dem Versicherungsvertrag zugrunde liegenden Allgemeinen Bedingungen für die Kraftfahrtversicherung (AKB) 2008 heißt es:

„Wird das Fahrzeug beschädigt, zahlen wir die für die Reparatur erforderlichen Kosten bis zu folgenden Obergrenzen:

a) Wird das Fahrzeug vollständig und fachgerecht repariert, zahlen wir die hierfür erforderlichen Kosten bis zur Höhe des Wiederbeschaffungswerts nach A.2.6.6, wenn Sie uns dies durch eine Rechnung nachweisen. Fehlt dieser Nachweis, zahlen wir entsprechend A.2.7.1.b.

b) Wird das Fahrzeug nicht, nicht vollständig oder nicht fachgerecht repariert, zahlen wir die erforderlichen Kosten einer vollständigen Reparatur bis zur Höhe des um den Restwert verminderten Wiederbeschaffungswerts nach A.2.6.6.“

Die Klage hatte beim Amtsgericht Erfolg; das Landgericht hat sie auf die Berufung des beklagten Versicherers abgewiesen. Es hat ausgeführt, soweit die Reparatur des Fahrzeugs auch in einer markenfreien Fachwerkstatt zu einer vollständigen und fachgerechten Reparatur führe, seien nur die dort anfallenden Kosten als erforderlich im Sinne der AKB anzusehen. Für die vom Amtsgericht befürwortete Übertragung der Grundsätze aus dem gesetzlichen Haftungsrecht fehle es an einer tragfähigen Begründung.

Wesentliche Entscheidungsgründe

Der BGH hat demgegenüber zwar bestätigt, dass in der Kaskoversicherung allein die vertraglichen Vereinbarungen der Parteien maßgeblich sind und deshalb die für den Schadensersatz – also insbesondere für die Ersatzpflicht des Unfallgegners – geltenden Regelungen nicht angewandt werden können.

Er hat aber weiter entschieden, dass die Aufwendungen für die Reparatur in einer markengebundenen Werkstatt auch nach der maßgeblichen Auslegung der Versicherungsbedingungen aus Sicht eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers abhängig von den Umständen des jeweiligen Falles als „erforderliche“ Kosten im Sinne der Klausel anzusehen sein können.

Danach kann der Versicherungsnehmer diese Aufwendungen dann ersetzt verlangen, wenn nur in der Markenwerkstatt eine vollständige und fachgerechte Instandsetzung seines Fahrzeugs möglich ist, im Regelfall aber auch dann, wenn es sich um ein neueres Fahrzeug oder um ein solches handelt, das der Versicherungsnehmer bisher stets in einer markengebundenen Fachwerkstatt hat warten und reparieren lassen.

Dass eine dieser Voraussetzungen vorliegt, ist vom Versicherungsnehmer im Streitfall darzulegen und zu beweisen.

Da das Berufungsgericht hierzu bislang keine Feststellungen getroffen hat, hat der BGH den Rechtsstreit an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

BGH, Urt. v. 11.11.2015 – IV ZR 426/14

Quelle: BGH, Pressemitteilung v. 11.11.2015

Dreimal zu schnell ist nicht genug

Dreimal zu schnell ist nicht genug

Eine Fahrerlaubnis darf nicht schon deshalb entzogen werden, weil ein nach drei Geschwindigkeitsübertretungen geforderte medizinisch-psychologische Gutachten (MPG) nicht vorgelegt wurde, hat das Verwaltungsgericht Neustadt entschieden. Demnach muss die Fahrerlaubnisbehörde in solchen Fällen ausführen, warum sie ein MPG aus besonderen Einzelfallgründen für notwendig hält.

Dreimal zu schnell – darum geht es

Der Antragsteller ist seit 2008 im Besitz der Fahrerlaubnis der Klasse B. Er wurde im Zeitraum Februar 2015 bis Mai 2016 wegen der folgenden Geschwindigkeitsüberschreitungen belangt: am 06.02.2015 Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften von 70 km/h um 34 km/h nach Toleranzabzug, am 14.12.2015 Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften von 100 km/h um 23 km/h nach Toleranzabzug auf einer BAB, am 13.05.2016 Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften von 120 km/h um 56 km/h nach Toleranzabzug auf einer BAB.

Nach Bekanntwerden dieser Tatsachen verlangte die Stadt Ludwigshafen am Rhein (im Folgenden: Antragsgegnerin) am 07.10.2016 von dem Antragsteller die Beibringung eines Gutachtens einer amtlich anerkannten medizinisch-psychologischen Untersuchungsstelle, um bestehende Zweifel an der Fahreignung des Antragstellers auszuräumen. Hiermit war der Antragsteller zunächst einverstanden und unterzog sich einer entsprechenden Untersuchung. Das Gutachten legte er dann aber mit der Begründung nicht vor, dieses leide an elementaren Mängeln.

Daraufhin entzog die Antragsgegnerin dem Antragsteller mit Bescheid vom 03.01.2017 unter Anordnung der sofortigen Vollziehung die Fahrerlaubnis. Der Antragsteller legte dagegen Widerspruch ein und suchte um vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutz nach. Zur Begründung führte er aus: Die Fahrerlaubnisentziehung sei rechtswidrig, weil schon die Anordnung der Antragsgegnerin zur Beibringung eines MPG unverhältnismäßig gewesen sei. Er habe drei Ordnungswidrigkeiten wegen Geschwindigkeitsüberschreitungen begangen. Davon hätten sich zwei Übertretungen im unteren Bereich bewegt. Es liege kein Fall eines wiederholten und erheblichen, gegen verkehrsrechtliche Vorschriften eingetretenen Verstoßes vor, der seine Kraftfahreignung in Frage stelle.

Wesentliche Entscheidungsgründe

Das Gericht hat dem Eilantrag stattgegeben. Zur Begründung haben die Richter ausgeführt: Die angefochtene Entziehung der Fahrerlaubnis begegne durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Die Antragsgegnerin habe ihre Entscheidung vom 03.01.2017 zu Unrecht darauf gestützt, dass der Antragsteller das angeordnete MPG zum Nachweis seiner Fahreignung nicht innerhalb der ihm gesetzten Frist beigebracht habe.

Denn die auf § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 der Fahrerlaubnisverordnung (FeV) gestützte Gutachtensanforderung sei nicht rechtmäßig gewesen. Nach dieser Vorschrift könne bei einem erheblichen Verstoß oder wiederholten Verstößen gegen verkehrsrechtliche Vorschriften die Beibringung eines MPG zur Klärung von Eignungszweifeln angeordnet werden. Der Antragsteller habe unstreitig wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften verstoßen.

Die Regelung des § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 FeV stehe aber in einem Spannungsverhältnis zu § 4 Straßenverkehrsgesetz (StVG), wonach die Fahrerlaubnisbehörde zum Schutz vor den Gefahren, die von wiederholt gegen Verkehrsvorschriften verstoßenden Fahrzeugführern ausgingen, die in § 4 Abs. 5 StVG genannten Maßnahmen (Speicherung von Punkten, Ermahnung, Verwarnung, Entziehung der Fahrerlaubnis) zu ergreifen habe.

Das Fahreignungs-Bewertungssystem beinhalte die Bewertung von Verkehrszuwiderhandlungen mit einer nach Art und Schwere der Verstöße festgelegten Punktzahl und das Ergreifen abgestufter Maßnahmen der Fahrerlaubnisbehörde bei Erreichen oder Überschreiten bestimmter Punkteschwellen. Es bezwecke eine Vereinheitlichung der Behandlung von Mehrfachtätern und solle dem Betroffenen Gelegenheit geben, aufgetretene Mängel durch Teilnahme an Fahreignungsseminaren möglichst frühzeitig zu beseitigen.

Das abgestufte System rechtfertige die Annahme, dass Personen, die acht oder mehr Punkte erreicht hätten, als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen anzusehen seien. Aus dem Fahreignungs-Bewertungssystem ergebe sich damit, dass der Gesetzgeber bewusst die weitere Straßenverkehrsteilnahme von Kraftfahrern mit einem nicht unerheblichen „Sündenregister“, weil mehrfach gegen Verkehrsvorschriften verstoßen worden sei, in Kauf genommen habe.

Das Ergreifen anderer Maßnahmen gegen den Fahrerlaubnisinhaber wegen Eignungszweifeln, die sich aus den im Fahreignungs-Bewertungssystem erfassten Verkehrsverstößen ergäben, sei zwar nicht ausgeschlossen. Dadurch werde im öffentlichen Interesse sichergestellt, dass ungeeignete Kraftfahrer schon vor Erreichen von acht Punkten im Fahreignungsregister von der Teilnahme am motorisierten Straßenverkehr wirksam ausgeschlossen oder besondere Eignungszweifel durch weitergehende Maßnahmen, wie z. B. eine medizinisch-psychologische Untersuchung, sofort geklärt werden könnten.

Allerdings müsse dies auf eng begrenzte, besonders gelagerte Ausnahmefälle beschränkt sein. Die Fahrerlaubnisbehörde müsse präzise begründen, warum sie es aus besonderen Gründen im Einzelfall, der sich erheblich vom Normalfall anderer „Punktesünder“ abheben müsse,  aufgrund einer Würdigung der Gesamtpersönlichkeit des Kraftfahrers oder wegen der Art, der Häufigkeit oder des konkreten Hergangs der Verkehrsordnungswidrigkeiten für unerlässlich halte, die Fahreignungsbedenken sofort durch eine medizinisch-psychologische Untersuchung zu klären, ohne dem Betroffenen die Chance zu belassen, zuvor das unter der Geltung des Fahreignungs-Bewertungssystems stark reduzierte Hilfsangebot des § 4 StVG wahrzunehmen.

Besondere und einzelfallbezogene andere Erkenntnisse, die ein Abweichen von dem Fahreignungs-Bewertungssystem im vorliegenden Fall rechtfertigen würden, habe die Antragsgegnerin in ihrer Aufforderung zur medizinisch-psychologischen Begutachtung des Antragstellers nicht aufgezeigt.

Da die Voraussetzungen für ein Abweichen von dem Bewertungssystem des § 4 StVG nicht vorlägen, greife hier das Regime des Fahreignungs-Bewertungssystems. Danach sei der Antragsteller, zu dessen Lasten im Fahreignungsregister vier Punkte eingetragen seien, schriftlich zu ermahnen und darauf hinzuweisen, dass ein Fahreignungsseminar freiwillig besucht werden könne, um das Verkehrsverhalten zu verbessern.

Gegen den Beschluss ist das Rechtsmittel der Beschwerde zum  Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz zulässig.

Verwaltungsgericht Neustadt, Beschl. v. 21.03.2017 – 3 L 293/17.NW

Quelle: Verwaltungsgericht Neustadt, Pressemitteilung v. 27.03.2017

Wer ist zuständig beim Rücktritt vom Autokauf?

Wer ist zuständig beim Rücktritt vom Autokauf?

Ein Käufer, der von einem Kaufvertrag eines ihm bereits überlassenen Fahrzeugs zurücktritt, darf die Vertragsrückabwicklung regelmäßig an dem für seinen Wohnsitz zuständigen Amts- oder Landgericht einklagen. Er ist demnach nicht verpflichtet, den Prozess beim Gericht am Wohn- oder Geschäftssitz des beklagten Verkäufers zu führen. Das hat das OLG Hamm entschieden.

Rücktritt vom Autokauf – Darum geht es:

Der klagende Käufer aus Löhne erwarb im September 2014 beim beklagten Verkäufer aus Potsdam ein Gebrauchtfahrzeug vom Typ Saab 900 Cabriolet zum Kaufpreis von 5650 €. Nach entsprechender Barzahlung verbrachte der Kläger das Fahrzeug nach Löhne. Hier kam ihm der Verdacht, dass der im Kaufvertrag angegebene Kilometerstand von 173.000 km unzutreffend sei und das Fahrzeug tatsächlich eine erheblich höhere Laufleistung aufwies. Noch bevor der Kläger das Fahrzeug auf seinen Namen zuließ, erklärte er gegenüber dem Beklagten den Vertragsrücktritt und verlangte die Rückabwicklung des Kaufvertrages. Die vom Kläger vor dem Landgericht Bielefeld erhobene Klage hatte zunächst keinen Erfolg, weil das Landgericht Bielefeld sich als örtlich unzuständig ansah. Die Berufung des Klägers gegen das landgerichtliche Urteil war erfolgreich.

Wesentliche Entscheidungsgründe

Das OLG Hamm hat die erstinstanzliche Entscheidung aufgehoben und das Landgericht Bielefeld verpflichtet, den Rechtsstreit zu verhandeln und zu entscheiden. In der Hauptsache beantrage der Kläger nunmehr ihm den Kaufpreis Zug um Zug gegen die Rückgabe des Fahrzeugs zurückzuzahlen. Diesen Prozess könne der Kläger vor dem Landgericht Bielefeld durchführen. Dort sei der Gerichtsstand des Erfüllungsortes gegeben. Wenn nicht anders vereinbart, sei für diesen Gerichtsstand der Ort maßgeblich, an dem der Kaufvertrag im Falle eines zu Recht erklärten Rücktritts rückabzuwickeln sei.

Bei einem Fahrzeugkauf habe ein Käufer nach der Ausübung seines Rücktrittsrechts keinen uneingeschränkten Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises. Dieser Anspruch sei vom Verkäufer vielmehr nur Zug um Zug gegen Rückgabe des verkauften Fahrzeugs zu erfüllen. Dabei sei der Verkäufer verpflichtet, ein mangelhaftes Fahrzeug dort abzuholen, wo es sich nach der Vorstellung der Vertragsparteien im Zeitpunkt des Vertragsrücktritts befinde.

Das sei im vorliegenden Fall am Wohnsitz des Klägers in Löhne, weil der Kläger das Fahrzeug dort habe nutzen wollen. Dem stehe nicht entgegen, dass die nach dem Vertrag vorrangig vor einem Rücktritt vom Verkäufer geschuldete Nachbesserung an dessen Betriebs- oder Wohnsitz vorzunehmen gewesen wäre. Das Scheitern einer Nachbesserung sei ggf. eine Rücktrittsvoraussetzung und lasse sich in der Regel erst dann feststellen, wenn der Käufer das Fahrzeug im Anschluss an die Nachbesserung zurückerhalten habe. Vertragsgemäß befinde es sich dann wieder an seinem Wohnsitz.

 

OLG Hamm, Urt. v. 27.10.2015 – 28 U 91/15
Quelle: OLG Hamm, Pressemitteilung v. 18.11.2015